Ziffernnoten von 1 bis 6 gehören zur Schule wie Unterricht, Klassenfahrt und Pausenbrot. Dies ist allgemein anerkannt für Kurricula, welche auf schriftliche Lehrmittel und Auswendiglernen basiert sind. Dabei wird bewertet ob eine Frage korrekt mit der Wiedergabe von Fakten oder Zahlen beantwortet wird. Noten fassen Informationen in Zahlen zusammen, die auf einen Blick verständlich sind. Seit Jahrzehnten stehen Noten allerdings in der Kritik. Sie gelten als ungerecht, beliebig, nicht vergleichbar. Warum werden sie dann immer noch fast überall vergeben?
Die Revolution der Informationstechnologie stellt die Schulen vor große Herausforderungen. Sie müssen die Schüler auf die Zukunft best möglich vorbereiten, sodass sie in einer digitalen Welt bestehen und ein selbstbestimmtes und erfülltes berufliches und privates Leben führen können. Dafür wenden Schulen immer mehr ihre Aufmerksamkeit auf abstrakte Soft Skills wie Kreativität, Zusammenarbeit und kritisches Denken anstatt auf einfach zu bewertendes technisches Wissen.
Wie können ErzieherInnen die kreative Leistung oder die Art der Problemlösung eines Lernenden quantitativ bewerten?
Die Notengebung war schon ein Problem vor dem Aufkommen der neuen Technologien oder Arbeitsplätzen. Die Flüssigkeit einer Fremdsprache oder die Qualität eines Aufsatzes zum Beispiel sind schwierig zu benoten. Das Konzept der Notengebung an und für sich wirkt gegen das vertiefte Lernen und hin zu den einfachsten Strategien für bessere Noten.
Das International Bacclaureate war ein Pionier für das, was die Schulen der Reformpädagogik erst jetzt übernehmen. Es ist in einer idealen Position für den Umgang mit diesen Problemen.
Eines der grundlegenden Probleme mit der Notengebung als Evaluation des Lernens, wie man es auch immer angeht, ist dass es motiviert auf die besten Noten hinzuarbeiten, anstatt die Kreativität und den Umgang mit Lernmöglichkeiten zu stimulieren.
Noten bringen die Lernenden dazu, Risiken aus dem Weg zu gehen und den einfachsten Weg zu besseren Noten zu gehen. Sie werden weniger neuen Ideen folgen, welche von den üblichen Wegen abweichen und haben wenig Interesse über das verlangte Wissen hinaus zu lernen. Sie werden auf gute Noten hinarbeiten und das Lernen an und für sich vernachlässigen.
Noten sind manchmal auch schlecht für das Wohlergehen der Schüler. Studien haben gezeigt, dass diese durch die Angst vor dem Misserfolg bei Prüfungen gestresst sind, was paradoxerweise zu schlechteren Leistungen führt und zu Dissoziation mit dem Lernmaterial. Andere Studien untersuchen den Selbstwert der Lernenden und sehen die akademische Leistung als dessen Ursache. Dies wurde mit schlechterer geistiger Gesundheit korreliert für Lernende, welche unter Angst, Beziehungsproblemen oder anderen negativen Folgen leiden.
Mittel zur Verbesserung
Es gibt verschiedene Alternativen zur Notengebung, welche für sich allein eingeführt werden können oder in Zusammenwirkung, um die Bildung auf jeder Ebene zu verbessern.
Das Vergleichende Urteil (VU) wird im IB nach und nach als Alternative zur Notengebung eingeführt. Anstatt jemanden durch numerische Werte zu beurteilen, auch wenn das nicht angepasst ist, gibt das VU den Prüfern Paare von Schülerarbeiten und sie müssen entscheiden, welche Arbeit besser ist. Durch wiederholte Vergleiche über die Gesamtheit der zu prüfenden Lernenden wird es möglich, eind skalierte Rangordnung der Schülerarbeiten zu etablieren.
Das VU hat verschiedene Vorteile. Verschieden Personen beurteilen jede Arbeit, jeder Lernende hat die Möglichkeit auf Grund verschiedener Meinungen und Perspektiven beurteilt zu werden. Es macht auch das Leben für die Prüfenden einfacher, sie müssen jedes Mal nur zwei Arbeiten einander gegenüberstellen, anstatt eine Arbeit gegenüber den Arbeiten einer ganzen Klasse einordnen zu müssen. Das VU erlaubt auch umfassendere Bewertungen einer Arbeit da die zu vergleichenden Punkte für zwei Arbeiten einfacher zu analysieren sind.
Qualitative Beurteilungen, bei denen die Schüler ein Gespräch mit Lehrern und Eltern haben sind ein anderer Lösungsansatz. Lehrer können mit den Schülern besprechen, wo sie Verbesserungsmöglichkeiten sehen, wie diese umgesetzt werden können und die Schüler sprechen über ihre eigenen schwierigen Punkte und vielleicht sogar über eine Anpassung des Kurrikulums. Das gilt natürlich nur für flexible Kurrikula und braucht auch einen grösseren Zeitaufwand. Für alle Arten der Schülerbewertung ist es hingegen wichtig, dass die Schüler selbst in den Prozess einbezogen werden.
Eine noch radikalere Lösung wäre es, die Schüler sich selbst benoten zu lassen, auf Grund der eigenen Einschätzung ihrer Leistung. Wenn wir die Motivation zur Jagd nach besseren Noten wegnehmen und stattdessen die Beurteilung zu einem introspektiven Prozess über das eigene Lernen machen, motivieren wir die Lernenden das Lernen an und für sich zu erstreben anstatt eines Lernens welches nur nach besseren Noten strebt.
Prüfungen
Und was ist mit den Prüfungen. Wenn so viel Information online zur Verfügung steht und die Benotung für die Lernenden schädlich sein kann, sollen wir nicht einfach auf Prüfungen verzichten?
Aber in der Realität ist es immer noch notwendig Wissen wiederzugeben, wenn auch nur in einer breiteren Art zu einem zu lernenden Gebiet. Sie können alles auf dem Internet suchen, aber die Suche nach den richtigen Fragen und sinnvollen Antworten erfordert eine nachweisbare Fähigkeit, Argumente zu analysieren, zu rahmen und zu konstruieren. All dies setzt ein gewisses breites Wissen zu einem Gebiet voraus und kann helfen, die Suche nach der Information einzugrenzen.
Es sind diese Fähigkeiten, welche das IB evaluiert. Aber, und daran besteht kein Zweifel, sie entwickeln sich mit der Zeit weiter. Die Diskussion über Prüfungen mit offenen Büchern, oder sogar der Verwendung des Internet, ist allgegenwärtig. Und die Technologie entwickelt sich so oder so ständig weiter. Das ‘MYP eAssessment’ wurde vor drei Jahren (2016) eingeführt und dabei bildet die Wissenswiedergabe nur noch 25%, der Rest konzentriert sich auf die Bewertung des kritischen Denkens und der Kommunikation.
Das Bewertungssystem der SISD
An der Swiss International School in Dubai verwenden wir nicht nur die numerischen Noten eines Schülers für die Bewertung. Wir beachten auch die Selbst- und Partnerbewertung, Überlegungen, die Art, einen Prozess zu dokumentieren und sogar offene Aufgaben, welche kritisch bewertet werden. Wir haben auch Lerngespräche, welche für jeden Schüler einen Aktionsplan diskutieren. Dies gestattet es uns, das Lernen und die Beurteilung auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen auszurichten.
Auch Zeugnisse sind nicht nur Notenlisten. Sie sind eine qualitative Bewertung verschiedener Arten von Leistungen und gesamtheitliche Überlegungen nicht nur über das Lernen, sondern auch über das Verhalten.
Wir glauben, dass diese Flexibilität es den Schülern ermöglicht, auf die sinnvollste Art und Weise zu glänzen und sie dazu zu bringen, wirklich zu lernen, was sie lernen, anstatt nur auf eine gute Note hinzuarbeiten.